Während die Zwangsstörung im ICD-10 noch zu den Angststörungen gezählt wird, wurde ihr im 2013 neu erschienenen DSM-5 eine eigene diagnostische Kategorie gewidmet. Hierdurch wird auf Unterschiede hinsichtlich ätiologischer, neurobiologischer und psychopathologischer Aspekte im Vergleich mit anderen Angststörungen hingewiesen [1].
Das Kernsymptom einer Zwangsstörung stellen Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen dar, welche bei den Betroffenen einen hohen Leidensdruck und/oder deutliche Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit (z.B. durch den erhöhten Zeitaufwand) bewirken.
Viele Betroffene neigen zu ungünstigen Grundüberzeugungen, wie z.B. sich für vieles übermäßig verantwortlich zu fühlen, Unsicherheit nicht aushalten zu können, Gefahren und Gedanken zu überschätzen oder Perfektionismus. Weiterhin spielen soziale Unsicherheiten eine große Rolle, so dass bei Personen mit einer Zwangserkrankung häufig auch eine ausgeprägte Fehlschlag- und Kritikangst sowie mangelndes Abgrenzungsvermögen vorkommen [2].
Die Wahrscheinlichkeit einmal im Leben an einer Zwangsstörung zu erkranken wird auf ca. 1-2 % in Deutschland geschätzt [3], wobei sich die Zwänge häufig im frühen Erwachsenenalter manifestieren [4].
„Immer wenn ich die Wohnung verlasse oder schlafen gehe, muss ich zuvor jeweils fünfmal kontrollieren, ob ich den Herd richtig ausgemacht, die Kühlschranktür geschlossen, alle technischen Geräte vom Strom genommen, alle Wasserhähne richtig zugedreht und die Wohnungstür richtig abgeschlossen habe. Es ist mir sehr wichtig, dass ich dabei nicht gestört werde und alles der Reihe nach prüfen kann. Meist dauert dies ca. eine halbe Stunde, wobei es schon immer häufiger vorkommt, dass ich mir unsicher bin, ob ich es wirklich richtig gemacht habe und dann noch einmal zu prüfen beginne. Es nervt mich total, dass mich das so viel Zeit kostet. Manchmal komme ich deswegen sogar zu spät zur Arbeit, weil ich den Bus verpasse, wenn ich noch mal zurückgehe und kontrolliere. Wenn ich bei meinem Freund schlafe, habe ich dieses Problem nicht. Wenn er wüsste, was ich in meiner Wohnung immer veranstalte, würde er mich wahrscheinlich für verrückt halten.“ (Frau J., 28)
Zwangsstörungen entstehen vermutlich durch ein Zusammenspiel von biologischen, psychologischen und externen Faktoren. So gibt es beispielsweise Studien, die eine erhöhtes Auftreten von Zwangsstörungen unter Angehörigen (11,7%) im Vergleich zu Angehörigen von Kontrollprobanden (2,7%) zeigen [5], ebenso wie es verschiedene neurobiologische Auffälligkeiten bei Zwangserkrankten gibt.
Das wohl gängigste Modell in der kognitiven Verhaltenstherapie von Salkovskis [6] geht davon aus, dass „normale“ aufdringliche Gedanken fälschlicherweise als bedrohlich und unakzeptabel interpretiert werden, während die Betroffenen zugleich glauben, die Verantwortung für die Abwendung dieser Bedrohung zu tragen. Daher kommt es zum Ausführen bestimmter Verhaltensweisen, um so unangenehme Gefühle und die eigene Verantwortung zu mindern sowie die angenommene Katastrophe zu verhindern. Diese Zwangshandlungen werden in der Folge schließlich beibehalten, da das kurzzeitige Nachlassen unangenehmer Gefühle als angenehm empfunden wird; langfristig werden korrektive Lernerfahrungen dadurch jedoch verhindert und so die Zwangserkrankung aufrechterhalten.
Während Zwangserkrankungen früher in psychoanalytischen Therapien lange Zeit den Ruf hatten, schwer behandelbar zu sein, gibt es heute insbesondere im Bereich der Kognitiven Verhaltenstherapie eine Vielzahl von Metaanalysen, die die Wirksamkeit dieser eindeutig bestätigen [7],[8]. Eine besonders wichtige Rolle scheint hierbei der Behandlungsbaustein der Exposition mit Reaktionsverhinderung zu spielen. Neuere Therapieansätze, wie z.B. die Akzeptanz-und-Commitment Therapie nach Hayes [9] sind zwar noch nicht ausreichend untersucht, scheinen aber eine vielversprechende Ergänzung in der Behandlung von Zwangserkrankungen sein zu können [10]. Weiterhin existiert Evidenz, dass eine kombinierte Behandlung von Psychotherapie und Antidepressiva, wie z.B. Clomipramin (ein trizyklisches Antidepressivum) oder Selektiven-Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (kurz: SSRIs) einer alleinigen Pharmakotherapie überlegen ist [11].
Typische Bestandteile der Therapie können sein: