Das Burnout-Syndrom (vom Englischen „to burn out“ = ausbrennen) kann bislang in den gängigen Diagnosesystemen nicht als eigenständige Diagnose, sondern lediglich als Zusatzcodierung (zusätzlich zu einer anderen Diagnose, wie z.B. häufig Depressionen) unter der Bezeichnung „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung inkl. Ausgebranntsein [Burn out]“ klassifiziert werden. Daher besteht bis heute keine einheitliche Definition des Burnout-Syndroms.
Besonders verbreitet ist jedoch die Konzeptionalisierung, wie sie mit dem gängigen Maslach Burnout Inventar (MBI) [1] erfasst wird. Demnach umfasst ein Burnout die drei zentralen Bereiche:
Der in den 70er Jahren vom New Yorker Psychotherapeuten Herbert Freudenberger geprägte Burnout-Begriff wurde ursprünglich v.a. für Menschen in sozialen Berufen beschrieben, die sich zu sehr in ihrem Job verausgabt hatten. Inzwischen ist jedoch klar, dass auch Menschen in anderen Berufsgruppen oder besonders außerberuflich engagierte Personen (z.B. in der Pflege von Angehörigen) betroffen sein können [2]. Konkrete Zahlen zur Auftretenshäufigkeit fehlen aufgrund der uneinheitlichen Definition jedoch bislang.
„In meinem Beruf als selbstständiger Versicherungsmakler gehörte Stress von Anfang an dazu. Dennoch liebte ich meinen Job und es machte mir nichts aus, für meine Kunden auch am Wochenende oder spät abends erreichbar zu sein oder mir bei einem Beratungsgespräch auch einmal persönliche Sorgen anzuhören. Ich fand es schön, wenn ich neben dem stumpfen Versicherungsalltag auch einmal einen guten Rat geben konnte. Über die Jahre entwickelten sich auch nicht selten nette Bekanntschaften durch meinen Job. In den letzten Jahren veränderte sich jedoch der Markt so stark, dass der Provisionsdruck immer weiter stieg. Parallel erkrankte meine Frau, so dass ich zum Alleinverdiener unserer Familie wurde. Dadurch arbeitete ich deutlich mehr als sonst, zu Hause versuchte ich meine Frau zu motivieren, nicht aufzugeben und den Kindern ein Stück weit Normalität vorzuspielen. Im Kundenkontakt wurde ich immer ungeduldiger, es nervte mich nur noch, wenn ein Vertragsabschluss sich ewig hinzog, der Papierkram schien sich unaufhaltsam zu türmen und ich fühlte mich rastlos getrieben wie in einem Hamsterrad. Für mein Hobby Segeln blieb keine Zeit mehr und auch im Urlaub klebte ich ständig nur an Handy und PC, um Kundennachrichten zu beantworten. Ich konnte überhaupt nicht mehr abschalten, nichts entspannte mich mehr, ich war nur noch müde und gereizt, konnte gleichzeitig aber auch nicht mehr richtig schlafen. Morgens quälte ich mich nur noch erschöpft und mit flauem Magen aus dem Bett. Mein Kaffeekonsum stieg deutlich an, weil ich sonst das Gefühl hatte, im Stehen einzuschlafen. In der Folge hielt mir mein Arzt ständig Predigten über meine Gastritis, ungesunde Ernährungs- und Lebensweise sowie erhöhte Gefahr für einen Herzinfarkt. Immer wieder schlug er mir eine Klinik vor, aber ich sah keine Möglichkeit mich wochenlang rauszuziehen. Ich fühlte mich wie in einem Hamsterrad gefangen.“ (Herr K., 50)
Vermutlich kann auch dem Burnout-Syndrom das gängige bio-psycho-soziale Entstehungsmodell zugrunde gelegt werden. Somit ist von einem Wechselspiel zwischen biologischen, psychologischen und sozialen Einflussfaktoren bei der Entstehung auszugehen.
Bislang gibt es keine wissenschaftlichen Belege, doch wird vermutet, dass bspw. die individuelle Belastbarkeit eines Menschen genetisch beeinflusst ist und einen biologischen Einflussfaktor bei der Burnout-Entstehung darstellen könnte. Psychologische Einflussfaktoren können sich auf all jene Faktoren beziehen, die daraus resultieren, wenn Personen ihrer Arbeit eine überhöhte Bedeutung hinsichtlich Leistungserwartung, Selbstverwirklichung und -bestätigung zuschreiben und dadurch bspw. zunehmend Überstunden machen, Hobbys streichen und sich unzureichend von der Arbeit abgrenzen. Weitere relevante Einflussfaktoren stellen verschiedene Merkmale des Arbeitsplatzes dar, wie z.B. zu hohe Arbeitslast, fehlende Wertschätzung und Fairness von Vorgesetzten, Rollenmehrdeutigkeit, übermäßige Kontrolle durch Vorgesetzte, ständige Erreichbarkeit, ständige Angst vor Kündigungen durch häufige Kündigungswellen oder ein Übermaß an Verantwortlichkeit.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) schlägt in ihrem Positionspapier von 2012 [3] folgendes Konzept zur Burnout-Klassifikation vor:
Abbildung entstammt: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (2012). Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) zum Thema Burnout.
Demnach liegen einem Burnout individuelle Faktoren, wie z.B. eine Neigung zum Perfektionismus und hohen Ansprüchen oder fehlende Qualifikationen und Erholungsphasen in Wechselwirkung mit ungünstigen Arbeitsplatzfaktoren, wie z.B. zu hohe Arbeitslast, fehlende Abgrenzung zum Privatleben, fehlende Wertschätzung durch Vorgesetzte und Kollegen zugrunde. Wobei in der Folge zunächst zu unterscheiden ist, zwischen einer vorübergehenden Arbeitsüberforderung, welche erst dann zum Burnout wird, wenn sie ohne absehbares Ende Wochen bis Monate ohne entsprechende Erholung fortbesteht.
Ein Burnout kann dann wiederum ein Risikofaktor für die Entwicklung einer späteren psychischen oder körperlichen Erkrankung darstellen, indem z.B. eine vorhandene Veranlagung für bspw. eine Angsterkrankung durch den chronischen Stress zur Auslösung der Angststörung führt. In diesem Falle ist der Behandlungsfokus sowohl auf die Folgeerkrankung als auch auf die Burnoutproblematik zu richten.
Ebenfalls ist es jedoch auch so, dass bereits vorhandene Krankheiten, wie z.B. Multiple Sklerose, chronische Schlafstörungen oder Schilddrüsenerkrankungen Burnout-artige Beschwerden umfassen können. In diesem Fall sollte der Fokus der Behandlung auf der Grunderkrankung liegen, um sekundäre Burnoutprobleme zu beheben.
Typische Bestandteile der Behandlung (neben den Therapieinhalten einer Folgeerkrankung, wie z.B. Depression) können sein:
Psychoedukation zum Thema Stress
Erarbeiten eines individuellen Frühwarnsystems bzgl. Arbeitsüberlastung, lernen individuelle Stressoren frühzeitig zu erkennen
Erwerb von Stressbewältigungskompetenzen, wie z.B. besseres Zeitmanagement
Auseinandersetzung mit den psychosozialen Funktionen der Arbeit, z.B. wie und wo kann ich mich beruflich entsprechend meiner eigenen Werte verwirklichen? Wo und wodurch bekomme ich Anerkennung? Welche wichtigen sozialen Kontakte sind für mich mit der Arbeit wie verbunden? Welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung habe ich?
Identifikation und Bearbeitung stressverschärfender Gedanken, wie z.B. „Ich darf niemals Fehler machen“
Umgang mit Grübeln
Erlernen von Achtsamkeit und beruflicher Selbstwertschätzung
Training sozialer Fertigkeiten, wie z.B. besser „Nein“ sagen
Schlafhygiene